„Ich fühle mich einsam“

Einsamkeit ist eine der schlimmsten Erfahrungen, die ein Mensch machen kann. Damit ist nicht das „Alleinsein“ gemeint, das fast jeder Mensch in der ein oder anderen Form auch mal als angenehm empfindet. Einsamkeit ist das Gefühl fehlender Zugehörigkeit. „Einsamkeit ist tödlicher als Rauchen, Fettleibigkeit und Bewegungsmangel. So kann sie mit dem täglichen Konsum von 15 Zigaretten verglichen werden. Soziale Kontakte versorgen uns mit verschiedenen sozialen und psychologischen Ressourcen. Sie beeinflussen unsere Persönlichkeit, indem sie die soziale Identität beeinflussen. Normen, die in einer Gruppe vorherrschen, bestimmen, welche Meinungen und Aktivitäten uns wichtig sind und wie wir uns in bestimmten Situationen verhalten. All diese Faktoren wirken sich also auf unsere Gesundheit aus. Um gesund zu bleiben ist es also notwendig tragfähige soziale Bindungen aufzubauen." (Prof. Dr. Udo Seelmeyer, FH Bielefeld)

Einsamkeit

Auch ohne Corona sind in unserer Gesellschaft viele Menschen von Einsamkeit betroffen. Die Lockdowns haben die Problematik in den Fokus der gesellschaftlichen Wahrnehmung gerückt, da nun Menschen vermehrt von Einsamkeit betroffen sind. Auf der Webseite einsam-durch-corona.de veröffentlicht die Fachhochschule Bielefeld ihre Studienergebnisse zur Frage, was gegen Einsamkeit hilft. Neben wissenschaftlichen Hintergründen finden Laien hier konkrete Tipps, was sie gegen ihre Einsamkeit ausrichten können.

Die Studie kommt zu Ergebnissen, die auch ich aus meiner Praxis bestätigen kann: Nicht jede Form von Kontakt ist geeignet dem Einsamkeitsgefühl entgegen zu wirken und allein das Zurverfügungstellen von technischen Kommunikationsmöglichkeiten hilft nicht gegen Einsamkeit. Auf das gemeinsame Erleben kommt es an - das wissen Max Raabe, Pawel Popolski und das Palast Orchester auch schon vor dem ersten Lockdown und demonstrieren den Unterschied musikalisch:
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Gegen Einsamkeit hilft es also nur, als Person wahrgenommen zu werden und als solche Teil einer Gemeinschaft zu sein, also Zugehörigkeit zu empfinden. Es gibt demnach zwei denkbare Arten von Hilfestellungen gegen Einsamkeit:

Bei Einsamkeit durch Corona ...

... hilft es, den Kontakt zu Menschen zu intensivieren, denen man sich bereits zugehörig fühlt: „Einsamkeit durch Corona“ ist Einsamkeit, die man verspürt, weil man Menschen, die einem nahestehen, nicht treffen kann. Gegen diese Art der Einsamkeit gibt viele mehr oder weniger kreative Einfälle, wie sie etwas gelindert werden kann. Einige davon finden sich auf einsam-durch-Corona.de . Meiner persönlichen Erfahrung nach bietet der Videocall eine der Kontaktmittel, die am wirksamsten gegen diese Einsamkeit eingesetzt werden können.

Bei Einsamkeit vor Corona ...

... hilft es, neue Bekanntschaften und Freundschaften etablieren, zu denen man sich zugehörig fühlen kann: Dieser Einsamkeit ist schon deutlich schwieriger beizukommen. Sie hat sich bereits vor Corona im Leben der betroffenen Menschen manifestiert. Bereits vor Corona war es für sie schwierig, neue Kontakte zu knüpfen und so eng aufzubauen, dass sie sich zugehörig fühlten. Gesellschaftliche Angebote (in Vereinen, Clubs, Stadtteilzentren, politische Gruppen etc.) sind durch Corona in die faktische Nichtexistenz geschrumpft. Auch zufällige Gelegenheiten eines Kennenlernens sind durch die Reduzierung des gesellschaftlichen Lebens fast gänzlich zerstört worden. Wie also sollen Menschen, die bereits vor Corona unter Einsamkeit litten, unter diesen Voraussetzungen zu einem Gefühl der Zugehörigkeit gelangen?

Es geht kein Weg daran vorbei, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, andere Menschen persönlich kennenzulernen. Welche Art des Kontakts und des Kontaktanlasses für den Einzelnen der richtige ist, kann nur jeder für sich höchst persönlich entscheiden. Ich habe mir für Sie vier verbreitete „Hacks gegen Einsamkeit“ einmal genauer angeschaut, ob sie einen Versuch wert sind:

Hack 1: soziale Medien nutzen (Facebook und Co.)

Die sozialen Medien bieten Seiten und Gruppen an, die dazu einladen, Kontakte zu knüpfen und sich auszutauschen. Auch wenn ich extrem selten Ratschläge erteile, hier muss ich es tun: Von der anlasslosen und wahllosen Nutzung der sozialen Medien kann ich aus professioneller Sicht nur abraten. Zum einen sind sie in aller Regel nicht dazu geeignet, einander wirklich kennen zu lernen und eine echte Beziehungsebene aufzubauen. Zum anderen neigen Menschen dazu, sich in diesem Umfeld „anonym“ zu fühlen, und pflegen eine entsprechend angriffslustige Kommunikation. Menschen die bereits unter ihrer Einsamkeit leiden, würden hierdurch nur noch weiter seelisch geschwächt. Zeit in den Sozialen Medien zu verbringen, ist nach meiner Erfahrung also kontraproduktiv, wenn Einsamkeit entgegen gewirkt werden soll. Die sozialen Medien sind dann aber sehr hilfreich, wenn man die Menschen bereits anderweitig und persönlicher kennengelernt hat, mit denen man hier kommuniziert und gewonnene Freundschaften hier intensiviert, Erfahrungen austauscht etc. (vgl. dazu unten: „Online-Veranstaltungen).

Hack 2: soziales Engagement

Das eigene soziale Engagement hilft dabei andere Menschen in einem angenehmen Setting kennenzulernen. Gerade in größeren Städten gibt es Verein und soziale Einrichtungen, die händeringend nach Helfern suchen. Das gilt auch und gerade bei Corona. Das gemeinsame Tun verbindet Menschen. Sie lernen sich kennen und erfahren, wie es ist gemeinsam an etwas zu arbeiten. Das tut ihnen gut und führt zu einem Gefühl der Zusammengehörigkeit. Ein eigenes soziales Engagement zu beginnen ist meiner Erfahrung nach grds. gut geeignet, der Einsamkeit entgegen zu wirken.

Hack 3: Online-Veranstaltungen

Die Veranstalter aus vielen Branchen sind in 2020 kreativ geworden und haben nach Möglichkeiten gesucht, Präsenzveranstaltungen zu ersetzen. Es lohnt sicherlich im Netz zu recherchieren. Als Beispiel kann hierfür Artnight dienen. Das Unternehmen organisierte vor Corona Maltreffen mit Anleitung in Restaurants und Bars. Dort konnte man malend andere Menschen kennenlernen und ging mit einem eigenen Kunstwerk nach Hause. Inzwischen finden diese Treffen während der Lockdowns online statt und nach den Veranstaltungen wird sich in gemeinsamen Gruppen über die eigenen Malerfolge ausgetauscht. Diese Art der Nutzung von sozialen Medien ist geeignet, gegen Einsamkeit zu helfen, da die Menschen nun nicht mehr anonym sind, mit denen kommuniziert wird.

Hack 4: Aktivismus

Es scheint, als hätten die Deutschen den Aktivismus entdeckt. Die Jugend schaffte es 2019 tatsächlich im Rahmen der Fridays-For-Future-Bewegung 1,4 Millionen Menschen allein in Deutschland auf die Straße zu bekommen. Seitdem haben sich etliche Gruppierungen rund um das Thema gebildet. Viele davon existieren online in verschiedenen Messengergruppen und warten darauf, wieder aktiv zu werden, sobald das Leben wieder auf der Straße stattfindet. Das gilt nicht nur für Klimaschutz-Aktivisten. Für fast jedes gesellschaftlich relevante Thema gibt es Gruppierungen, die sich in ihrem Aktivismus darauf konzentrieren und Änderungen bewirken wollen. Und in aller Regel sind die Gruppen digital organisiert. Gemeinsam gesellschaftlich aktiv zu werden und für die Umwelt oder eine bestimmte Politik zu kämpfen, verbindet Menschen stark. Der gesellschaftliche Aktivismus ist daher sehr gut geeignet, gegen Einsamkeit zu wirken.

Welchen Weg auch immer Sie wählen, um sich nicht einsam zu fühlen und Teil einer Gruppe zu werden: Seien Sie sich sicher, dass jeder andere, der neu in eine Gruppe kommt, ebenso unsicher ist, wie Sie es sind. Und es geht den bereits vorhandenen Gruppenmitgliedern nicht viel anders. Die wollen in aller Regel auch auf Sie einen guten Eindruck machen. Geben Sie sich und ihnen also ruhig eine Chance. Und wenn Sie sich dafür Hilfe wünschen, ist das ein sehr gut für das Coaching geeignetes Thema.

Bleiben Sie gesund!

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